Eine Filmmusik ohne Film
Arnold Schönbergs (1874–1951)
Begleitmusik zu einer Lichtspielszene
Arnold Schönberg, ein Name, der untrennbar mit der Zweiten Wiener Schule und der Entwicklung der Zwölftontechnik verbunden ist, gilt oft als der Inbegriff der musikalischen Avantgarde des 20. Jahrhunderts. Seine Werke werden häufig als intellektuell herausfordernd und emotional intensiv beschrieben. Doch nur wenige wissen, dass Schönberg auch einen bedeutenden Beitrag zur Filmmusik geleistet hat. Eines seiner bemerkenswertesten Werke in diesem Bereich ist die Begleitmusik zu einer Lichtspielszene op. 34.
Die Begleitmusik zu einer Lichtspielszene, komponiert 1929/30, entstand in einer Zeit, in der Schönberg bereits in der Zwölftontechnik arbeitete. Schönberg übertrug in diesem Werk die Prinzipien dieser Technik auf ein Genre, das bis dahin vor allem von romantischer und programmatischer Musik geprägt war. Interessanterweise war das Stück nicht für einen bestimmten Film vorgesehen. Stattdessen schuf Schönberg eine Musik, die unabhängig vom Bild eine spezifische dramatische Wirkung erzeugen sollte. Das Werk ist in drei Abschnitte unterteilt: „Drohende Gefahr“, „Angst“ und „Katastrophe“. Diese Titel lassen erahnen, dass Schönberg die Musik als Mittel nutzte, um eine intensive emotionale Erzählung zu schaffen, die universell verständlich ist, unabhängig von einem spezifischen Filmkontext.
Die Idee für dieses Werk stammt ursprünglich von F. Charles Adler, der neben seiner Tätigkeit als Musikdirektor der Düsseldorfer Oper auch als Agent für den Heinrichshofen Verlag in Magdeburg agierte. Heinrichshofen veröffentlichte zu dieser Zeit zahlreiche Werke für den Tonfilm. Adler vermittelte zwischen Schönberg und dem Verlag.
Während Schönberg selbst keine Filmmusik für konkrete Projekte komponierte, zeigt die Begleitmusik zu einer Lichtspielszene seine Offenheit gegenüber dem Medium und seine Fähigkeit, musikalische Strukturen mit narrativen Elementen zu verbinden. Es zeigt seine tiefe Überzeugung, dass Musik in der Lage ist, emotionale Zustände und dramatische Handlungen allein durch ihren klanglichen Verlauf darzustellen.
Die Uraufführung der Begleitmusik fand am 28. April 1930 im Rundfunkhaus des Südwestdeutschen Rundfunks in Frankfurt statt mit dem Radiosymphonieorchester unter der Leitung von Hans Rosbaud. Spätere wichtige Aufführungen waren am 6. November 1930 in der Berliner Kroll Oper mit dem Orchester der Kroll Oper unter der Leitung von Otto Klemperer und am 8. Mai 1931 in London mit dem BBC Symphony Orchestra unter Anton Webern.
Die Begleitmusik zu einer Lichtspielszene ist ein Beispiel für Schönbergs kreative Vielseitigkeit und seine Fähigkeit, traditionelle und moderne Elemente in neuen Kontexten zu verbinden. Für Musiker, Musiklehrer und Dirigenten bietet dieses Werk eine reiche Quelle der Inspiration und zeigt, dass Schönberg nicht nur der Meister der Zwölftonmusik war, sondern auch ein Komponist, der neue Wege ging, um Musik als eigenständige erzählerische Kraft zu etablieren.