5 Fragen an Raphael Benjamin Meyer
Der Komponist zwischen Konzertsaal und Filmstudio im Interview
Raphael Benjamin Meyer

Wann hast du begonnen Blockflöte zu spielen und warum
hast du dich für das Blockflötenstudium entschieden?


In der ersten oder zweiten Primarschule spielte ein Mitschüler
ein Stück auf der Blockflöte vor. Das wollte ich auch
können! Ziemlich erleichtert, dass ich nicht mehr an meinem
früher geäußerten Harfen-Wunsch festhielt (eine Blockflöte
findet schliesslich im Rucksack Platz und muss nicht
im Eltern-Taxi an jede Probe gefahren werden), meldeten
mich meine Eltern am nächsten Tag für den Blockflötenunterricht
an.
Ähnlich „überstürzt“ bin ich später ins Blockflötenstudium
gerutscht: eigentlich legte ich an der Musikhochschule die
Aufnahmeprüfung für das Schulmusikstudium mit Chorleitung
ab. Als der Studiengangsleiter aber mein Blockflötenspiel
hörte, meinte er: „Du solltest Blockflöte studieren!“...
und so kam es, dass ich ein paar Tage später – trotz
schon lange verstrichenem Anmeldeschluss – durch die
Hintertür zur Aufnahmeprüfung an der Schola Cantorum
Basiliensis geschleust wurde, wider Erwarten einen der
begehrten Studienplätze bekam und ein paar Wochen
später mein 5-jähriges Blockflötenstudium begann.

In der Blockflötenszene bist du bekannt als Komponist
effektvoller Musik wie z.B. der „Irischen Suite“. Aber du
bist ebenso als Filmmusikkomponist tätig, u.a. für die
Schweizer Fernsehserie „Der Bestatter“. Inwiefern unterscheidet
sich deine Arbeit an den Kompositionen zwischen
der Blockflöten- und der Filmmusik?


Im Film werden wichtige musikalische Parameter wie Spieldauer,
Stimmung oder Tempo, aber auch Dynamik sowie
die Entscheidung, wo die Musik melodisch sein und wo
sie nur begleiten darf, vom Film selbst vorgegeben. Und
wie die Filmmusik zu sein hat, welche Instrumente in ihr
mitspielen dürfen, bestimmt in letzter Instanz - etwas
überspitzt dargestellt - der Regisseur, Produzent oder Fernsehredakteur.
Beim Film bin ich eben nur ein kleines Zahnrädchen
am Ende der Produktionskette einer riesigen
Maschinerie.
Bei Konzertmusik genieße ich natürlich viel mehr Freiheit.
Melodien müssen sich keinem Dialog unterordnen und
dürfen sich so lange entfalten, bis mir die Ideen ausgehen.
Es ist egal, wenn ein Stück ein paar Sekunden oder gar
Minuten länger dauert, es kommt ja kein Abspann, der
mir diktiert, wann der letzte Paukenschlag erklingen muss.
Außerdem darf Konzertmusik etwas virtuoser sein, weil
die MusikerInnen vor dem Auftritt ja auch an einem Stück
proben wollen. Bei Filmmusik-Aufnahmen wird die Musik
hingegen vom Blatt eingespielt - auch weil die Zeitfenster
bei Medienproduktionen oft so knapp bemessen sind,
dass die Noten erst ein paar Stunden vor den Aufnahmesessions
fertig werden.


In deinen Kompositionen für Serien, Filme und Games hört
man immer wieder die Blockflöte heraus. Und umgekehrt
zeichnet sich deine Musik für Blockflöten durch viele
Effekte aus, die auch in Filmen eine gute Wirkung hätten.
Würdest du dich damit als Vorreiter in der Blockflötenmusik
sehen oder ändert sich hier die Tradition der Blockflötenmusik
ohnehin gerade?


Schlußendlich komponiere ich einfach „meine“ Musik, und
da „mein“ Instrument die Blockflöte ist und man auf ihr
so viele unterschiedliche Dinge machen kann, kommt ihr
in vielen meiner Kompositionen eine tragende Rolle zu.
Ob ich nun für die Bühne oder die Kinoleinwand schreibe,
rückt während des Komponierens in den Hintergrund. Ich
habe in erster Linie das Instrumentarium vor Augen, für
das ich Musik schreibe, und weniger das Medium, in welchem
die Musik erklingen wird. Während des Schaffensprozesses
experimentiere ich gerne, weil ich so auf Neues
und Unerwartetes stoße. Der Zufall, oder ab und zu auch
ein Unfall (etwa eine „falsche“ Note, mit der die Musik
plötzlich in eine ungeplante Richtung verläuft), ist stets für
eine Überraschung gut. Insofern sehe ich mich überhaupt
nicht als Vorreiter, oftmals ist es eher die Musik selbst, die
mich reitet und mir sagt, wo es lang gehen soll.

Die „Flötenorgel“* ist dein neuestes Projekt, gerade seid
ihr mit den CD-Aufnahmen fertig geworden und im Oktober
finden die Uraufführung und weitere Konzerte statt.
Als du die ersten Stücke fertig hattest und sie mir schicktest,
hast du geschrieben: „Die Flötenorgel ist das Projekt, das
mich momentan am meisten begeistert.“ Was ist es, was
dieses Projekt ausmacht und dich dafür so brennen lässt?


Die Flötenorgel ist im Jahr 2020 als kleines Projekt für
„Zwischendurch“, als Zeitvertreib gegen Langeweile (Corona
lässt grüßen) entstanden. Nur für mich. Für die Schublade
komponiert (das habe ich schon seit sicher 10 Jahren
nicht mehr getan). Ohne auf mitdiskutierende Auftrag geber
Rücksicht nehmen zu müssen und ganz ohne Zeitdruck.
So dauerte es auch ungefähr zwei Jahre, bis alle Stücke
der Flötenorgel fertig komponiert waren. Zuerst war es ja
auch gar nicht klar, wohin die Reise überhaupt gehen sollte.
Ich hatte ungefähr vier Stücke im Drehorgelstil geschrieben
und zeigte diese dem Blockflötisten Andreas Böhlen. Schnell
hatten wir die Idee, ein ganzes Konzertprogramm zu entwickeln
und extra dafür ein neues Ensemble zu gründen:
die „Basler Blockflöten-Band“. Mit diesem Ensemble haben
wir auch viel experimentiert, Grenzen ausgelotet und unterschiedliche
Stile miteinander vermischt. Das machte
extrem viel Spaß und ich bin gespannt, welche Pfade wir
mit dem Ensemble in Zukunft noch einschlagen werden.


Welche Pläne hast du für die Zukunft?


Derzeit arbeite ich hauptsächlich an zwei Großprojekten
mit Chor- und Orchester-Aufnahmen im kommenden Januar.
Danach wäre – zumindest kurzfristig – „weniger
arbeiten“ ein ganz schöner Plan für die Zukunft. Es gibt
nur einen Haken: Im Nichtstun bin ich ziemlich schlecht!


Das Interview führte Antonia Krödel

 

 

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5 Fragen an Raphael Benjamin Meyer
Der Komponist zwischen Konzertsaal und Filmstudio im Interview
Raphael Benjamin Meyer

Wann hast du begonnen Blockflöte zu spielen und warum
hast du dich für das Blockflötenstudium entschieden?


In der ersten oder zweiten Primarschule spielte ein Mitschüler
ein Stück auf der Blockflöte vor. Das wollte ich auch
können! Ziemlich erleichtert, dass ich nicht mehr an meinem
früher geäußerten Harfen-Wunsch festhielt (eine Blockflöte
findet schliesslich im Rucksack Platz und muss nicht
im Eltern-Taxi an jede Probe gefahren werden), meldeten
mich meine Eltern am nächsten Tag für den Blockflötenunterricht
an.
Ähnlich „überstürzt“ bin ich später ins Blockflötenstudium
gerutscht: eigentlich legte ich an der Musikhochschule die
Aufnahmeprüfung für das Schulmusikstudium mit Chorleitung
ab. Als der Studiengangsleiter aber mein Blockflötenspiel
hörte, meinte er: „Du solltest Blockflöte studieren!“...
und so kam es, dass ich ein paar Tage später – trotz
schon lange verstrichenem Anmeldeschluss – durch die
Hintertür zur Aufnahmeprüfung an der Schola Cantorum
Basiliensis geschleust wurde, wider Erwarten einen der
begehrten Studienplätze bekam und ein paar Wochen
später mein 5-jähriges Blockflötenstudium begann.

In der Blockflötenszene bist du bekannt als Komponist
effektvoller Musik wie z.B. der „Irischen Suite“. Aber du
bist ebenso als Filmmusikkomponist tätig, u.a. für die
Schweizer Fernsehserie „Der Bestatter“. Inwiefern unterscheidet
sich deine Arbeit an den Kompositionen zwischen
der Blockflöten- und der Filmmusik?


Im Film werden wichtige musikalische Parameter wie Spieldauer,
Stimmung oder Tempo, aber auch Dynamik sowie
die Entscheidung, wo die Musik melodisch sein und wo
sie nur begleiten darf, vom Film selbst vorgegeben. Und
wie die Filmmusik zu sein hat, welche Instrumente in ihr
mitspielen dürfen, bestimmt in letzter Instanz - etwas
überspitzt dargestellt - der Regisseur, Produzent oder Fernsehredakteur.
Beim Film bin ich eben nur ein kleines Zahnrädchen
am Ende der Produktionskette einer riesigen
Maschinerie.
Bei Konzertmusik genieße ich natürlich viel mehr Freiheit.
Melodien müssen sich keinem Dialog unterordnen und
dürfen sich so lange entfalten, bis mir die Ideen ausgehen.
Es ist egal, wenn ein Stück ein paar Sekunden oder gar
Minuten länger dauert, es kommt ja kein Abspann, der
mir diktiert, wann der letzte Paukenschlag erklingen muss.
Außerdem darf Konzertmusik etwas virtuoser sein, weil
die MusikerInnen vor dem Auftritt ja auch an einem Stück
proben wollen. Bei Filmmusik-Aufnahmen wird die Musik
hingegen vom Blatt eingespielt - auch weil die Zeitfenster
bei Medienproduktionen oft so knapp bemessen sind,
dass die Noten erst ein paar Stunden vor den Aufnahmesessions
fertig werden.


In deinen Kompositionen für Serien, Filme und Games hört
man immer wieder die Blockflöte heraus. Und umgekehrt
zeichnet sich deine Musik für Blockflöten durch viele
Effekte aus, die auch in Filmen eine gute Wirkung hätten.
Würdest du dich damit als Vorreiter in der Blockflötenmusik
sehen oder ändert sich hier die Tradition der Blockflötenmusik
ohnehin gerade?


Schlußendlich komponiere ich einfach „meine“ Musik, und
da „mein“ Instrument die Blockflöte ist und man auf ihr
so viele unterschiedliche Dinge machen kann, kommt ihr
in vielen meiner Kompositionen eine tragende Rolle zu.
Ob ich nun für die Bühne oder die Kinoleinwand schreibe,
rückt während des Komponierens in den Hintergrund. Ich
habe in erster Linie das Instrumentarium vor Augen, für
das ich Musik schreibe, und weniger das Medium, in welchem
die Musik erklingen wird. Während des Schaffensprozesses
experimentiere ich gerne, weil ich so auf Neues
und Unerwartetes stoße. Der Zufall, oder ab und zu auch
ein Unfall (etwa eine „falsche“ Note, mit der die Musik
plötzlich in eine ungeplante Richtung verläuft), ist stets für
eine Überraschung gut. Insofern sehe ich mich überhaupt
nicht als Vorreiter, oftmals ist es eher die Musik selbst, die
mich reitet und mir sagt, wo es lang gehen soll.

Die „Flötenorgel“* ist dein neuestes Projekt, gerade seid
ihr mit den CD-Aufnahmen fertig geworden und im Oktober
finden die Uraufführung und weitere Konzerte statt.
Als du die ersten Stücke fertig hattest und sie mir schicktest,
hast du geschrieben: „Die Flötenorgel ist das Projekt, das
mich momentan am meisten begeistert.“ Was ist es, was
dieses Projekt ausmacht und dich dafür so brennen lässt?


Die Flötenorgel ist im Jahr 2020 als kleines Projekt für
„Zwischendurch“, als Zeitvertreib gegen Langeweile (Corona
lässt grüßen) entstanden. Nur für mich. Für die Schublade
komponiert (das habe ich schon seit sicher 10 Jahren
nicht mehr getan). Ohne auf mitdiskutierende Auftrag geber
Rücksicht nehmen zu müssen und ganz ohne Zeitdruck.
So dauerte es auch ungefähr zwei Jahre, bis alle Stücke
der Flötenorgel fertig komponiert waren. Zuerst war es ja
auch gar nicht klar, wohin die Reise überhaupt gehen sollte.
Ich hatte ungefähr vier Stücke im Drehorgelstil geschrieben
und zeigte diese dem Blockflötisten Andreas Böhlen. Schnell
hatten wir die Idee, ein ganzes Konzertprogramm zu entwickeln
und extra dafür ein neues Ensemble zu gründen:
die „Basler Blockflöten-Band“. Mit diesem Ensemble haben
wir auch viel experimentiert, Grenzen ausgelotet und unterschiedliche
Stile miteinander vermischt. Das machte
extrem viel Spaß und ich bin gespannt, welche Pfade wir
mit dem Ensemble in Zukunft noch einschlagen werden.


Welche Pläne hast du für die Zukunft?


Derzeit arbeite ich hauptsächlich an zwei Großprojekten
mit Chor- und Orchester-Aufnahmen im kommenden Januar.
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